Nach 45 Jahren fahrbereit

2022-07-23 03:53:41 By : Ms. Delia Zhang

Autodesigner Gert Pollmann will am Kotterhof einige Prototypen vorstellen

Böhmfeld (EK) Der dunkelblaue Flitzer zieht die Blicke auf sich: ein zweisitziges Cabrio mit eleganten geschwungenen Linien, die an das Design der 1950er Jahre erinnern. Auffällig sind die offen zu sehenden Schrauben an der Karosserie. Vergebens sucht der Betrachter nach einem der bekannten Firmenlogos.

Den „Blue Fish“ kann man in keinem Autosalon kaufen – das Fahrzeug ist ein Unikat, ein Prototyp. Im Juni – vorgesehen ist der 14. – wird das einmalige Exemplar im Rahmen einer kleinen und feinen Ausstellung beim Böhmfelder Kotterhof zu sehen sein. Dann erzählt der Besitzer sicher die Entwicklung dieses Fahrzeugs vom Reißbrett bis hin zum straßentauglichen Flitzer, die sage und schreibe 45 Jahre dauerte – praktisch ein gesamtes Berufsleben.

Entworfen und zum Teil selbst gebaut hat den „Blue Fish“ der Böhmfelder Designer Gert Pollmann. Er leitete von 1981 bis 2011 ein von ihm gegründetes Designstudio. Die Designaktivitäten wurden dann an die Konrad Schäfer GmbH verkauft und sind heute in die Firma DMS (ebenso wie Schäfer ein Unternehmen der Indus Holding AG) in München integriert. Nach wie vor ist der Designer als Berater tätig. Schon 2008 hat Pollmann die ProtoChampSeries ins Leben gerufen – eine Rennserie, in der nur historische Fahrzeuge und Prototypen teilnehmen dürfen. Nach wie vor veranstaltet er diese Rennen. Und nun hat er die Idee, einige besondere Automobile der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Der „Blue Fish“ ist einer davon. Pollmann hat ihn 1968 als Studie gezeichnet und fertigte später ein Modell aus Balsaholz. Es besticht durch seine runden, weichen Formen. Ende der 1960er Jahre dominierte in der Automobilbranche kantige Formen. Pollmann ist bereits damals gegen den Strom geschwommen und setzte seine eigenen Vorstellungen konsequent um.

Beim Modell blieb es nicht: Ein Praktikant seines Unternehmens brachte das Gebilde mit einem Chassisrahmen zusammen, gleich drei Praktikanten stellten ein Modell im Maßstab 1:1 her – Pollmann selbst legte mit Hand an. „Das Modell stand dann ewig im Weg rum“, erinnert sich der Designer. Wegwerfen wollte er es aber auch nicht. Durch seinen Beruf hatte er einen guten Draht zu einer Firma für Kunststoffkarosserien aufgebaut. „Wenn ihr mal Zeit habt, baut das doch“, bat er. Sechs Jahre später erhielt der Böhmfelder einen Anruf: „Du kannst es abholen.“ Genau am 1. Mai 2013 war der „Blue Fish“ fertig. Das Chassis sitzt auf einem Gitterrohrrahmen mit Prallelementen links und rechts. Die Karosse besteht aus Kohlenfaser und wiegt keine 40 Kilogramm. Angetrieben wird das insgesamt 725 Kilogramm schwere Cabrio von einem Irmler-Opel-Motor mit rund 150 PS. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei rund 220 Kilometern in der Stunde. Der Verbrauch beträgt rund sechs Liter auf 100 Kilometer. Das Auto hat Straßenzulassung; Pollmann nutzt es mit regulärer schwarzer Nummer. Von der Aerodynamik konnte sich Pollmann jüngst selbst überzeugen. Er kam mit dem Cabrio, das kein Verdeck hat, auf der Autobahn in den Regen. „Nass geworden bin ich aber erst auf den letzten Metern“, sagt er schmunzelnd. Und zwar an den Füßen, weil die Radkästen noch nicht perfekt abgedichtet waren.

Ein anderes Fahrzeug, das Pollmann in Juni zeigen will, ist der „Classic Fish“. Der entstand in rund sechs Wochen und hat natürlich auch eine eigene Geschichte. Pollmann wollte, wie an vielen seiner Studien zu erkennen ist, klassisches Aussehen mit moderner Technik verbinden. Ein Teil der Karosserie besteht aus Aluminium-Elementen und ist auf einen starren Rahmen mit Holzkonstruktion montiert. „Keines dieser Bleche ist geformt, nur gebogen“, erläutert der Designer. Damit hat Pollmann eine sehr frühe Arbeitstechnik aufgegriffen: „Schon als Kind habe ich mit Papier gebaut, weil Balsaholz so teuer war.“ Das polierte Aluminiumblech legte er so über das Grundgestell, wie er das einst mit Papierblättern gemacht hatte. Das Auto sieht rustikal aus und das ist Absicht. Die Scheinwerfer etwa können mechanisch aus ihrer Vertiefung geholt und aufgeklappt werden. Die Frontpartie erinnert an historische Rennwagen und tatsächlich an das Maul eines Fisches. Straßenzulassung hat das Fahrzeug nicht; es wird nur bei der ProtoChampSeries gefahren.

Auf seinen Lorbeeren ausruhen will sich der Designer nicht. Von Gert Pollmann ist auch in Zukunft einiges zu erwarten. „Ich habe mir vorgenommen, alle zwei Jahre ein neues Auto zu kreieren.“