Engineering im Handwerk: mit Roboter, 3D-Druck & Co

2022-07-02 04:09:52 By : Mr. mftecknology W

Mit schönem Handwerk fing alles an. Jetzt treibt dieser Betrieb seine Zukunft im Engineering voran. Mit Robotik und einem leidenschaftlichen Team.

sucht in seinen Gesprächspartnern und Betrieben immer nach dem gewissen Etwas. Lässt sich am liebsten von cleveren Chefs, ausgefallenen Denkansätzen und neuen Ideen verblüffen.

Wie sieht das Tischlerhandwerk der Zukunft aus? Die Tischlerei Eigenstetter hat davon eine ganz konkrete Vorstellung – und die setzen die Mecklenburger konsequent um. Auf hochwertigen Innenausbau mit dem Blick für das Besondere versteht sich der Betrieb schon seit seiner Gründung durch Axel Eigenstetter. Mit dem Eintritt von Sohn Martin Eigenstetter ins Unternehmen und der Investition in den Kuka KR 500 Roboterarm starteten die Tischler vor zehn Jahren einen großen Umbruch, der kontinuierlich zu neuen Partnerschaften, Kompetenzen und Fertigungstechniken führt. „Mit Martin haben wir nochmal einen richtigen Schub nach vorn gemacht“, berichtet Axel Eigenstetter.

Aktuell macht das klassische Tischlerhandwerk noch etwa die Hälfte der Arbeit des Unternehmens aus. Die andere Hälfte bilden Industriedienstleistungen: Hier werden Entwürfe zur Fertigungsreife konstruiert, Prototypen oder Urmodelle zur Erstellung von Negativformen gefertigt und komplexe Produktionslösungen für Serienaufträge mit Eigen- und Fremdfertigungsanteil erarbeitet. „Wir bauen das Unternehmen bewusst Richtung Engineering aus“, sagt Martin Eigenstetter. „Ich glaube, das wird künftig ein Engpass sein. Schließlich braucht jede Idee jemanden, der sie zur Fertigungsreife bringen und umsetzen kann.“ Das Unternehmen ist auf die Konstruktion komplexer Werke und ihre Umsetzung auf verschiedensten computergestützten Maschinen spezialisiert. Mal baut das Unternehmen eine Küche. Das ist Tischlerhandwerk. Ein anderes Mal soll eine Küche 200 Mal für Suiten eines Kreuzfahrtschiffs gebaut werden: in identischer Qualität, effizient und kostensparend. Das ermögliche erst intelligentes Engineering mit einem materialsparenden, stabilen Design und effizienten Fertigungsprozessen.

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Zur computergestützten Fertigung hat der Betrieb eine 5-Achs-CNC-Maschine, zwei Einarmroboter, zwei 3D-Drucker sowie einen Lasercutter im Einsatz. Sein Wissen in der Programmierung bietet der Betrieb auch als Dienstleistung an – zum Beispiel für andere Tischler: „Viele Kollegen haben eine 5-Achs-CNC-Maschine in der Werkstatt, benutzen die fünfte Achse aber nur als Stellachse, um zum Beispiel schräge Schnitte zu machen“, erklärt Martin Eigenstetter. Komplexe Bauteile aber machen ein Simultanfräsen an der CNC-Maschine erforderlich, wobei die Position eines Fräsers auf allen fünf Achsen gleichzeitig verändert wird – eine Herausforderung in der Maschinenprogrammierung. „Wir schreiben die Programme zum Simultanfräsen passend für die Anlagen der Kollegen. So können sie den Auftrag mit ihren eigenen Maschinen bedienen.“

Ihre technische Kompetenz hat der 25-köpfigen Tischlerei manch spannende Partnerschaft im Bau und Ausbau von Schiffen, Flugzeugen und Einblicke in Entwicklungsprojekte über und unter Wasser eröffnet. „Wir arbeiten zum Beispiel mit der Hochschule Wismar und dem Fraunhofer Institut für Großstrukturen in der Produktionstechnik zusammen – da lernt man interessante Leute und Projekte kennen“, sagt Eigenstetter. Auch an manchen verrückten Auftrag erinnert sich der Maschinenbauer: „Für einen Industriekunden haben wir einen Cocktailroboter in einer Minizelle programmiert, der vollautomatisiert Cocktails mixt und ausschenkt.“

Nebenbei kennen sich die Mecklenburger auch im klassischen Tischlerhandwerk richtig gut aus. Im vorderen Teil der Werkstatt poliert Mitarbeiter Ronny Köppen gerade eine mattschwarze Corian-Arbeitsplatte inklusive Waschtisch, die er für eine Einbauküche gefertigt hat. Weiter hinten setzt der angehende Meister Niklas Walter ein paar frisch bearbeitete  Hölzer zu einem großen Giebelfenster zusammen. „Viele unserer Designs kommen von den Mitarbeitern“, sagt Martin Eigenstetter.

„Bei uns bekommt der Kunde sehr viel für sein Geld, weil unser Team unglaublich passioniert bei der Sache ist.“ Diese Passion fördert der Betrieb schon in der Ausbildung. Die meisten Mitarbeiter der Tischlerei sind Eigengewächse. „Bei uns lernt jeder Mitarbeiter – vom Azubi bis zum Meister – jede neue Fähigkeit an einer konkreten Anwendung“, erklärt der 39-Jährige. „Wenn ein Azubi Moped-verrückt ist, dann soll er ein technisches Teil für sein Moped entwerfen und an einem unserer 3D-Drucker herstellen.“

Die Mitarbeiter der Tischlerei Eigenstetter sollen in der Lage sein, einen Auftrag von vorn bis hinten zu bedienen. Das ist schon eine Tugend, die Axel Eigenstetter im Unternehmen eingeführt hat. „Unsere Idee ist: Der Mitarbeiter, der etwas für einen Kunden baut, soll auch Beratung und Aufmaß machen, es konstruieren und vor Ort montieren“, erklärt der Betriebsgründer. In der Praxis entstünden so häufig kleine Teams von zwei bis drei Leuten, die ein Projekt von Anfang bis Ende durchführen. „Uns ist es wichtig, dass unsere Mitarbeiter für ihre Arbeit auch das direkte Feedback vom Kunden bekommen – so macht die Arbeit doch viel mehr Spaß“, sagt der 73-Jährige.

Eine Grundkompetenz im klassischen Tischlerhandwerk und in der computergestützten Fertigung bringe jeder Mitarbeiter mit. Zugleich entwickle jeder nach persönlicher Interessenlage ein eigenes Spezialgebiet, erklärt Martin Eigenstetter: „Der eine ist ein Star bei der Roboterprogrammierung, der andere beim Laserschneiden und der nächste kennt sich super mit Beschlägen aus.“ Im Bereich Konstruktion etwa schätzt das Unternehmen die Expertise von Tischlermeister Silvio Boldt. „Er hat zum Beispiel die Entwicklung und Fertigung unserer Kreuzfahrtsuiten verantwortet“, sagt Eigenstetter.

Intensiv in die Programmierung des Kuka-Einarmroboters haben sich drei Köpfe im Unternehmen eingearbeitet – darunter Martin Eigenstetter selbst. „90 Prozent der Roboterprogrammierung macht aber unser Meister Gunnar Mai“, sagt er. Die Auslastung der Maschine sei stark projektabhängig: „Mal steht er ein paar Wochen, dann läuft er zwei monatelang von früh bis spät durch.“ Hauptsächlich bedient der Betrieb mit dem Roboter Industrieanfragen. „In der Industrie entstehen die Ansprüche an große Dimensionen, Gewichte und Komplexität aus Sachzwängen heraus. Sie sind nicht Luxus sondern notwendig. Entsprechend ist die Zahlungsbereitschaft für den aufwändigen Robotereinsatz gegeben.“ Und weil der Roboterarm mit seiner Reichweite von drei Metern und 500 Kilogramm Traglast nicht nur beliebig komplexe Unikate fertigen kann, sondern auch Serienteile, lohne sich seine Nutzung umso mehr, wenn große Stückzahlen benötigt werden.

Die Investition hat sich für den Betrieb ausgezahlt. „Wir haben uns damit extrem weiterentwickelt“, sagt Martin Eigenstetter. Und mit der Anschaffung des kleinen Yaskawa Einarmroboters im vergangenen Jahr führt der Betrieb noch mehr Mitarbeiter an die Technologie heran. Ziel ist es, ihn als Bearbeitungszentrum für Kleinarbeiten einzusetzen. „An der Maschine toben sich jetzt unsere Lehrlinge aus und lassen ihn fräsen, bohren und schnitzen“, sagt Eigenstetter.

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