Kätinger Mühle mit neuem Dach - Eine Haube aus Aluminium

2022-08-13 07:23:04 By : Ms. Jane He

Die denkmalgeschützte Kätinger Mühle hat einen neues Dach erhalten.

Kätingen – „Mit dem Wissen von heute...?“ Luise Gündel überlegt einen Moment bevor sie antwortet. „Würden wir wohl nicht mehr kaufen“, fügt sie dann hinzu. Aber vor elf Jahren hatte sich die Bremerin auf den ersten Blick in die Mühle in Kätingen verguckt. „Eigentlich wollten wir in Bremen bleiben, aber dann habe ich das Angebot bei einem Makler gesehen“, erinnert sich Luise Gündel. Sie überzeugte ihren Mann nach Kätingen zu ziehen. „Und seitdem spielen wir hier Fahrdienst für unsere Kinder“, setzt er scherzhaft hinzu.

Die Mühle finden beide noch immer wunderschön. Keine Frage. Aber so manches Mal hat sich die Familie schon die Haare gerauft. „Das historische Gebäude ist wie eine Wundertüte. Es kommen immer neue Herausforderungen und Baustellen zum Vorschein.“ Und da es sich um ein denkmalgeschützes Objekt handelt, ist nicht nur Fingerspitzengefühl gefragt, sondern auch Fachwissen – es muss immer geklärt werden: Was ist erlaubt, was nicht?

Die jüngste Investition: „Wir haben den Mühlenkopf erneuern lassen, weil es durchgeregnet hatte“, erzählt Thomas Becker. Dachdecker gibt es viele, aber wer hat Erfahrungen mit Mühlen? Dem Ehepaar wurde eine Firma aus Elsfleth empfohlen. „Auch deren Mitarbeiter standen erstmal da und haben die Vorgehensweise beraten“, erinnert sich Becker. Die Rundungen des Mühlendaches verlangten ein systematisches Vorgehen – alle Holzlatten wurden nummeriert. Für das Vorhaben wurde die gesamte Mühle eingerüstet. „Wir haben die alten maroden Schindeln gegen Aluminiumschindeln ausgetauscht. Die waren anfangs gar nicht zu bekommen“, so Becker.

Nach sechs Wochen war alles schick. Der Vorher-Nachher-Effekt ist beachtlich, freut sich das Ehepaar.

Becker bedauert, dass es für die Sanierung keine Fördermittel gab, weil es schließlich um den Erhalt eines Kulturdenkmals gehe. „Das Problem ist, dass die Mühle privat genutzt wird.“

Das Besondere an der Kätinger Mühle ist, dass sie noch Flügel hat. Sie sind zwar nicht mehr aus Holz, sondern aus Stahl. Und sie drehen sich auch nicht mehr, sondern sind fixiert. Ein Hingucker ist das Objekt aber dennoch – und ein beliebtes Fotomotiv.

Thomas Becker und Luise Gündel wissen nicht viel über ihre Mühle. „Nachbarn haben uns ein Kapitel aus der Nordwohlder Dorfchronik kopiert“, erzählt Luise Gündel. Demnach wurde die Windmühle 1864 von dem Kötner Hermann Heinrich Bitner gebaut. Es handelte sich um einen Galerieholländer mit Steert.

Der Grundriss ist achteckig. Die ersten zwei Geschosse sind mit Rotstein gemauert, die weiteren Geschosse sind in einer Holzkonstruktion gebaut. Die Flügelpaare, so ist zu lesen, waren 22 Meter lang.

Zu den wichtigsten Aufgaben des Müllers gehörte es, den Wind zu beobachten, da Windstärken und Windrichtungen manchmal in sehr kurzen Abständen wechselten. Dementsprechen seien Segel vor die Flügel gebunden worden. Bei starkem Wind konnten die Kunden auf das Mehl warten.

Müllermeister Albert Dietrich Kastens kaufte die Mühle 1894. In den Anfangsjahren betrieb die Familie noch ein Kolonialwarengeschäft.

Um unabhängiger von Wind und Wetter zu werden, erhielt die Mühle in den 30er-Jahren einen Dieselmotor. Später folgte ein Elektromotor.

Lange Zeit blieb die Mühle im Besitz der Familie, auch als dort schon lang kein Korn mehr gemahlen wurde. Der Mühlenerbe Friedrich Kastens fiel im Zweiten Weltkrieg 1944 in Ungarn. In der Chronik heißt es dazu: „Die Flügel zeigten für lange Zeit Trauer an.“

Demnach hatte die Stellung der Flügel in früheren Zeiten eine Bedeutung und sollte Ereignisse weithin sichtbar zeigen. Das senkrechte Flügelkreuz etwa signalisierte eine lange Arbeitspause. Es gab aber auch die „Freudenschere“ für Geburten und/oder Hochzeiten und die „Trauerschere“, die angab, dass jemand in der Müllerfamilie oder einer der Nachbarn gestorben war.

Erst 1963 wurde die Mühle wieder zum Leben erweckt. Man entfernte das Mahlwerk und funktionierte den Turm zu Wohnzwecken und zu einem Fotoatelier um.

Die nächste große Renovierung erfolgte 1990, als Familie Heinrichs die Mühle kaufte. Damals erhielt sie ein neues Schindelkleid und die Stahlflügel, 2005 dann noch einen neuen Steert und eine neue Galerie aus Eichenholz. 2010 zogen Heinrichs an die Ostsee und boten das Anwesen zum Verkauf. Luise Gündel und Thomas Becker aus Bremen erhielten den Zuschlag. Auch sie haben einiges investiert, unter anderem das zweite Obergeschoss komplett saniert. Weitere Instandsetzungen werden folgen.

„Es ist ein Haus mit Geschichte. Und Fragmente davon finden sich überall auf dem Grundstück“, erzählt Luise Gündel. Beim Anlegen des Gartens fand die Familie unzählige alte Mühlsteine, Holzbalken und weitere alte Mühlenteile, die sich leider nicht immer zuordnen lassen.

Luise Gündel mag besonders den weiten Blick von der Galerie. Dort oben hat das Paar sein Schlafzimmer. „Man erlebt die Elemente hier ganz anders. Man merkt schon, dass sich alles bewegt, erst recht bei Sturm.“ Und davon gab es in der Vergangenheit einige. Sorge wegen der Standsicherheit hat sie nicht. Die Kätinger Mühle habe in den vergangenen 158 Jahren allen Witterungen getrotzt und das werde sie auch weiterhin tun.